Mittwoch, 14. September 2016

John Cleeses Erinnerungen

Dieser Bericht über John Cleeses Erinnerungen handelt von Graham Chapman.
Vor einigen Monaten veröffentlichte John Cleese seine Autobiographie. Ich beschloss, diese zu lesen, weil ich John Cleese immer grandios fand, als Minister of Silly Walks, als renitente, mit der Handtasche prügelnde ältere Dame, als der, der sagte: And now to something completely different. Die anderen Pythons konnte ich nie auseinanderhalten. John Cleese stach heraus, überragte alle, war komisch, urbritisch und sympathisch. Ich wollte etwas über ihn erfahren und schnappte mir sein Buch.



Es ist eine spannende Biographie - für mich als Psychobritin sowieso, aber anders als erwartet. Man erfährt eine Menge über den Werdegang eines jungen Mannes aus der Middleclass im Nachkriegsengland, der es schließlich nach Cambridge schafft. Und man erfährt noch mehr über die Entstehung der wunderbaren, britischen Comedy voller schwarzem Humor, die schließlich in Monty Pythons Flying Circus und den Filmen der Pythons in den 70ern gipfelte. Man kann ganze Nächte auf YouTube und anderen Seiten verbringen und sich all diese Perlen der Komik ansehen, außerdem unendlich viel darüber, wie und warum das alles entstanden ist. Das tat ich auch und ich kann es weiter empfehlen. Es ist eine Welt der ernsthaften Arbeit an intelligenter Komik und Unterhaltung, die es heute nicht mehr zu geben scheint. Der berührendste Aspekt in der Biographie von John Cleese ist aber die Art, wie er über Graham Chapman schreibt. Die tiefe Freundschaft und das vermutlich bis heute anhaltende Vermissen, das überdeutlich zwischen den Zeilen steht, führte mich bald zu der Frage: Welcher der Pythons ist denn nun Graham Chapman? Staunend bemerkte ich, es war Brian in "Das Leben des Brian"!



Und König Arthus in den Rittern der Kokosnuss! Der Frontmann sozusagen, zumindest in den beiden Filmen. Ein weiteres Detail aus John Cleeses Buch: Die Bildunterschrift zum Foto von Graham Chapman bezeichnet ihn einfach nur als: Gra und befindet sich gemeinsam auf einer Seite mit einem Bild der ersten Ehefrau von John Cleese. Beim Durchblättern der Fotoseiten erschien mir das Bild mit dieser fast zärtlichen Bezeichnung und die Platzierung als unglaublich bemerkenswert. John Cleese und Graham Chapman begegneten sich in Cambridge, der schlaksige angehende Jurist, Skorpion und Fußballer Cleese und der Pfeife rauchende Medizinstudent, Steinbock und Rugby Spieler Chapman fanden sich zunächst nicht mal besonders anziehend. Wenig später wurden sie Autorenpartner für die dortigen "Footlights", einer Truppe, die Sketche und Schauspiel darbot. Sie waren später "die Köpfe" von Monty Python, während Eric Idle, Terry Jones und Michael Palin sich selbst als das Herz bezeichneten. (Die "Footlights" bringen übrigens auch heute noch großartige Talente auf den Weg. Richard Ayoade ist eines von ihnen.) Terry Gilliam schuf die großartigen Comiceinlagen. Es war eine Männerfreundschaft, die Cleese und Chapman verband, Cleese nennt es ein Arbeitsbündnis. Tatsächlich hielt dieses Bündnis länger als jede der vier Ehen von John Cleese, nämlich fast 27 Jahre. Sie sprachen kaum über private Themen und so konnte Chapman über viele Jahre seine Homosexualität geheim halten, ebenso und noch viel länger seine Alkoholsucht. Sie schufen statt dessen gemeinsam viele grandiose Sketche, Sprüche und Figuren, die bis heute jedem, der die Pythons sah, in Erinnerung geblieben sind. Chapman war laut Cleese manchmal unerträglich, wirr, zu spät dran, betrunken, schlecht gelaunt. Und dann wieder genial, umwerfend komisch und bereit, Tabus zu brechen und unerwartete Wendungen zu schaffen, die den anderen Pythons nie eingefallen wären, da sie, so Cleese, noch viel zu brav, zu konservativ dachten. Diese unerwarteten Wendungen machen vielleicht den wichtigsten Teil des Humors von Monty Python aus.

Das größte Vergnügen dabei war unser eigenes Gelächter. Manchmal kam uns ein so lustiger, verrückter und alberner Gedanke, dass wir beide in laute Lachorgien ausbrachen.(..) Es dauerte immer eine ganze Weile, bis wir uns wieder gefangen hatten und die Idee zu Papier bringen konnten.(..) Ich glaube, Gra und ich wurden viel häufiger und in stärkerem Maße als die anderen Pythons Opfer solcher blitzartigen, hämisch-vergnügten Energieschübe, die mit einer Wucht über uns hereinbrachen, welche wir nicht mehr mit einfachem Gelächter, sondern nur noch durch physikalische Pyrotechniken in Form von Jaulen, Johlen und Füßetrommeln abbauen konnten. (J.Cleese, Wo war ich nochmal? Autobiografie, S. 437)
Ein Jurist und ein Mediziner mit Doktorwürde wohlgemerkt. Alle Pythons waren in Cambridge oder Oxford außer Terry Gilliam, der aus den USA stammt. Ich plädiere dafür, die heutige Fernsehunterhaltung zurück in die Hände solcher Talente zu legen, thank you very much. Graham Chapman hat früh eine Art Biograpie geschrieben mit der Unterstützung von seinem langjährigen Lebenspartner und zwei weiteren Wegbegleitern. Harry Rowohlt war glücklicherweise so freundlich, sie zu übersetzen, was vermutlich nicht einfach war, da Chapmans "Autobiografie eines Lügners" genauso verrückt und verschlungen geschrieben ist, wie man es erwarten darf. Liest sich trotzdem herrlich unterhaltsam, wenn auch ein wenig Wehmut mich begleitete und der Wunsch, Chapman wäre noch da, zusammen mit den anderen. Man muss sich durch Cleeses Wälzer hindurch bis fast zum Ende gedulden, bis der Satz fällt, der beim Lesen die ganze Zeit zwischen den Zeilen anklingt: John Cleese versucht, uns das ganze Buch über verständlich zu machen, wie großartig Graham Chapman war.

In diesem Pepperpot Sketch aus dem Flying Circus ist es schön anzuschauen, wie wunderbar die beiden zusammen funktionierten. Timing, Blicke, Kopfdrehungen, Betonungen. Chapman verkneift sich das Lachen kurz vor dem Ende, Cleese dann auch. Wird eher noch besser dadurch. Ich könnte mir keinen besseren Beweis für das Talent und das großartige Zusammenspiel von Chapman und Cleese wünschen, auch als Platzhalter für ihre eigentliche Leistung, dem gemeinsamen Schreiben.


                             "BURMA!" "Why did you say Burma?" "I panicked!" "Ah."


Nach einigen Nächten, in denen ich auf YouTube und Wikipedia die Pythons und ihren Werdegang nachverfolgte, kann ich sie nicht nur auseinanderhalten, ich finde sie auch alle großartig. Ich habe einen kleinen Einblick in die vermutlich wunderbaren, kreativsten und glücklichen gemeinsamen Jahre der vielleicht besten englischen Komikerautoren erhalten.
Graham Chapman starb 1989 an Krebs. Die Pythons würdigten ihn so, wie er es sich gewünscht hätte.




Als die Pythons 2014 noch einmal zusammen kamen, erinnerten sie sich in der Pressekonferenz an Chapman. John Cleese lacht am lautesten:



Generationen schauten sich bereits Monty Python an, lachten sich schlapp, zitierten die Sprüche noch tagelang und hatten eine gute Zeit. Erst heute wird mir aber so richtig deutlich, welche Leistung die Pythons vollbracht haben, welch irrwitzigen, genialen und intelligenten Witz sie pflegten und verbreiteten.

Thank you, gentlemen, thank you John Cleese for letting us know and God bless you Graham.